Musik ist, zu versammeln alle Arten von Mut wie Cherubim um einen leuchtenden Thron. ("Ariadne auf Naxos" Hofmannsthal/ Strauss)
Das nehme ich als Aufruf, verschiedene Menschen zum gemeinsamen Singen um mein Klavier zu versammeln.
Der Beginn unserer Geschichte ist in jedem Fall meine erste Begegnung mit dem Talent von Katharina Jing An Gebauer und unserem gemeinsamen Arbeits- und Lernprozeß.
Eine oft gebrauchte Wendung in der Musik ist "das schwierige Stück", es werden vom Lehrer, von Kollegen oder Musikliebhabern, manchmal auch vom Komponisten selbst Gerüchte verbreitet, ein
besonderes Stück sei unglaublich schwierig zu bewältigen. So werden Berge in der Fantasie noch höher und steiler gemacht, als sie in Wirklichkeit sind. Vielleicht wollen sich auch jene
Interpreten, die Pfade auf jene Berge entdeckt haben, den eigenen Ruhm zusätzlich vergrößern, indem sie versuchen, Nachfolgende von derselben Aufgabe abzuhalten.
Ich leugne nicht, daß es eine Handvoll außergewöhnlicher Kompositionen gibt, die eine jahrelange Beschäftigung, großes Talent und starke Motivation voraussetzen.
Aber in den allermeisten Fällen wird nur der Anschein erweckt, etwas wäre unspielbar - um einen Nimbus zu erzeugen... der unverstandene Komponist, der seiner Zeit vorauseilt... der fanatische
Virtuose, der sein Leben der Kunst opfert... oder der auf eigene Karriere verzichtende Musikfan mit der Tonträgersammlung, der gerne darüber redet, was andere können oder nicht...
am schlimmsten finde ich allerdings jene Musiklehrenden, die einem Schüler den Erfolg verwehren wollen, den sie nicht erreicht haben.
Meine Aufgabe sehe ich darin, Mißverständnisse aufzulösen und künstlich aufgebaute Hindernisse zu beseitigen.
Die Fragestellung in der Musik sollte nicht sein:
Wer bin ich, wenn ich dieses Stück spiele?
sondern,
was will ich mit diesem Stück aussagen?
und
was will ich damit beim Publikum bewirken?!
Das ist einer der Grunde, warum ich dafür sorgen möchte, daß viele Menschen ihre selbstgesteckten Ziele erreichen - vor allem:
weil sie dahin gelangen sollen zu fragen:
was passiert, jetzt, wo ich mein Ziel erreicht habe?
Ähnlich wie bei Ludwig Wittgensteins Vorwort zum Tractatus soll das Erlernen einer Partie nur die Leiter sein, die man nach dem Hinaufsteigen nicht mehr benötigt.
Ich finde das Setzen unerreichbarer Ziele generell unsinnig - bösartig ist es, wenn diese unerreichbaren Ziele von anderen suggeriert werden.
Eine beschränkte Sichtweise der Professionalität führt dazu, daß in einer Entweder-Oder Haltung verharrt wird. Man lernt nicht aus eigenem Antrieb, sondern nur, wenn professionelle Bedingungen
(nach eigenem Ermessen) gegeben sind.
Vermutlich ist auch ein geringes Selbstwertgefühl ausschlaggebend dafür, wenn sich Menschen nur über Gagen definieren oder glauben, daß ihre Arbeit in jedem Fall eine bestimmte Summe wert
sei.
Oder liegt es daran, daß man Kunst nur als Nebenbeschäftigung reicher Menschen ansieht, deren Lebensunterhalt durch eine Erbschaft oder einen reichen Partner(in) bereits gedeckt ist, sodaß sie
sich mit voller Kraft ihrer Kunst widmen dürfen.
Das ist ein trauriger Fehlschluß, denn wer seine Fähigkeiten komplett auslotet und perfektioniert, kommt gar nicht daran vorbei, ständig Jobs zu bekommen.
Außer man ist fixiert auf bestimmte Jobs und bestimmte gesellschaftliche Positionen und lehnt andere Möglichkeiten als zu minder ab.
Blattspielen ist ähnlich wie das Durchlesen einer Zeitung oder eines neuen Buches... ein Kennenlernenwollen von Musik, eine Fähigkeit, die sich unbegrenzt trainieren läßt und die einem ungeahnte
Möglichkeiten verleiht.
Die Bibliothek www.imslp.org ist ein unermeßlicher Schatz an Musikwerken; es ist leicht zu verstehen, wie beschränkt das herkömmliche Konzertrepertoire ist, das immer mehr nur "kundenorientiert"
ist und lediglich das aufführt, "was Konsumenten hören wollen".
Ein tragischer Fehlschluß, der sich an Verkaufszahlen und Quoten orientiert - die Wiener Philharmoniker können auch keine 365 Neujahrskonzerte spielen...
Das Trainieren der Lesefähigkeiten bewirkt eine kürzere Vorbereitungszeit und besseres Verständnis von Zusammenhängen. Der oft zitierte "große Bogen" einer Interpretation stellt sich nur ein,
wenn das pädagogische Trauma durchbrochen wird, das darin besteht, bei Fehlern innezuhalten.
Fehlerfreiheit entsteht durch verstärkte Konzentration und durch eintrainierte Abfolgen.
Das vertikale musikalische Denken wurde durch die Tontechnik stark forciert. Unter vertikal verstehe ich den Versuch, perfekte Momente aneinanderzureihen. Vermutlich besteht ein starker
Zusammenhang zu Gewohnheiten bei Studioaufnahmen, bei der Teile eines Werks zusammengeschnitten und durch technische Manipulation eine Einheitlichkeit vorgetäuscht wird.
Demgegenüber steht bei Liveaufführungen die Verpflichtung, über Fehler hinwegzuspielen, da kleine Schwächen oft nur dann wahrgenommen werden, wenn die Interpreten darauf reagieren und sich die
Fehler anmerken lassen.
Die absurdesten Momente sind für mich jene, wenn berühmte Interpreten auf der Bühne versagen und das Publikum wie selbstverständlich alles "Menschliche" verzeiht.